09 lutego 2016

SPIEGEL-Brief

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ich verkleide mich ungern, mag lieber Pils als Kölsch und bin im Gesamten nicht sonderlich feierfreudig. Eine Teilnahme am Kölner Rosenmontagszug, Prunksitzungen oder "Höhner"-Konzerten kommt für mich daher nur unter Zwang infrage. Dennoch hat es mich gefreut, was Annette Großbongardt bei einer Recherche in Köln herausfand: Die Stadt, so schreibt meine Kollegin, scheint fest entschlossen, den Schrecken der Silvesternacht einfach wegzuschunkeln. Jetzt muss nur noch das im Text beschriebene Sicherheitskonzept der Polizei aufgehen, dann steht den tollen Tagen nichts mehr im Weg. Der Platz vorm Hauptbahnhof soll zur Abschreckung von Grapschern und Taschendieben aus Nordafrika, Düsseldorf oder anderen Orten dieser Welt nachts taghell erleuchtet werden.

Ein ausgelassenes Karnevalsfest mit vielen Bützchen, lauter Musik und frechen Umzugswagen ist auch die richtige Antwort auf Umtriebe islamistischer Wirrköpfe. Weil Kopfabschneider, Terrorbomber und Frauenunterdrücker in den vergangenen Monaten so viel von sich reden machten, ist es gut, dass meine Kollegen Georg Diez und Maximilian Popp Menschen zu Wort kommen lassen, die für einen friedlichen und modernen Islam stehen. Unter anderen haben sie den Münsteraner Professor Mouhanad Khorchide besucht. Der kann nur unter Polizeischutz in die Öffentlichkeit, ist aber tapfer und kämpft weiter dafür, dass der Ruf seiner Religion nicht noch stärker beschädigt wird. "Die Erneuerung, die so oft gefordert wird, findet längst statt", schreiben Diez und Popp.

Einen etwas ungefährlicheren Kulturkampf müssten in diesen Tagen eigentlich auch die heimischen Sprachpuristen führen. Wie mein Kollege Tobias Becker berichtet, droht dem Deutschen nämlich schweres Ungemach. Er hat die Berliner Soziolinguistin Diana Marossek getroffen, die das Buch "Kommst du Bahnhof oder hast du Auto?" geschrieben hat. Darin beschäftigt sie sich mit einer Sprache, die nicht nur bei Jugendlichen immer beliebter wird und als "Kurzdeutsch" bezeichnet werden könnte. Das zeichnet sich unter anderem durch das konsequente Weglassen von Artikeln und Kontraktionen wie "ins", "ans" und "zum" aus. In diesem Sinne: Ich gehe kurz Drucker, lese noch mal Text und bin dann Feierabend.

Viel Spaß bei der SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Guido Kleinhubbert 
SPIEGEL-Redakteur


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