Liebe Leserin, lieber Leser!
Horst Seehofer hat der Bundesregierung im Flüchtlingsstreit vorgeworfen, eine Unrechtsherrschaft zu etablieren. Seine Worte zeigen die Empfindlichkeit einer Partei, die in Sachen Unrecht über Jahrzehnte eher unempfindlich war. Ein Beispiel dafür: die Colonia Dignidad, ein deutsches Folterlager in Chile, das noch Jahre nach ersten Hinweisen auf die dortigen Praktiken von CSU-Prominenz hofiert wurde. Während die Verbliebenen den Ort mittlerweile in eine groteske Oktoberfestkulisse verwandelt haben, berichtet mein Kollege Martin Knobbe von den Opfern, die sexuell missbraucht wurden, in die Deutsche Botschaft in Santiago flohen - und dann dort von der Sektenführung wieder abgeholt wurden. Von Menschen wie Gudrun Müller, die heute verarmt im Altersheim lebt und noch immer unter den Nachwirkungen der grünen Pillen leidet, die sie jahrzehntelang schlucken musste - Psychopharmaka, obwohl sie gar nicht krank war.
Meine Kolleginnen Julia Amalia Heyer und Petra Truckendanner sprachen für ihre Geschichte mit Überlebenden des Anschlags im Pariser Konzertsaal Bataclan. Mit Louise Jardin etwa, die sich nicht als Opfer eines Attentats sehen wollte, vor Heiligabend aber plötzlich Angst davor bekam, dass aus Weihnachtsbäumen auf sie geschossen werden könnte. Oder mit Alex Jofre, der sich vor der Bühne über Stunden in einem kleinen Kasten zusammenkrümmte und hörte, wie die Terroristen ihre Opfer verhöhnten. Viele der Geiseln, die alle überlebt haben, wollen übrigens am kommenden Dienstag ein Konzert der Eagles of Death Metal besuchen. Die Band will das Konzert zu Ende spielen, das an jenem Freitag im November unterbrochen wurde.
Was der Schweizer Journalist Sacha Batthyany vor einigen Jahren über seine 1989 verstorbene Großtante Margit las, konnte er kaum glauben: Die Tante, die gern in teure Schweizer Hotels zum Essen lud, soll kurz vor Kriegsende auf ihrem Schloss im österreichischen Rechnitz ein Fest gegeben haben, auf dem, so ein britischer Journalist zur "FAZ", "zur Unterhaltung der Gäste" 200 Juden ermordet wurden. Batthyany hat über seine Recherchen ein Buch geschrieben. Er fand auch heraus, dass seine Großmutter und deren Eltern im Frühjahr 1944 auf ihrem Gut jüdischen Bekannten Hilfe für deren Kinder versagt hatten. Die aufgebrachten jüdischen Eltern wurden sofort nach dem Streit von einem deutschen Soldaten erschossen.
Viel Spaß bei der SPIEGEL-Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Nils Klawitter
SPIEGEL-Redakteur
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