Zika-Virus
Bald ist hierzulande Mücken-Saison. Dass die Zika-Epidemie dann auch zu uns kommt, halten Forscher für unwahrscheinlich. In Lateinamerika gehen die Fallzahlen zurück.
28. Januar 2016, 18:10 Uhr Aktualisiert am 13. Juli 2016, 10:24 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, afp 117 Kommentare
Zika. Hat sich erledigt, oder? Europas Medien berichten kaum noch über das Virus. Ist die Gefahr vorbei? Oder schaut nur kaum jemand mehr hin?
Wir haben die Epidemie weiter verfolgt, die sich von Lateinamerika und der Karibik aus weiter ausbreitet. Die wichtigsten Fakten zu dem Infekt, den Mücken übertragen.
- Aktuelle Informationen zur Entwicklung der Epidemie veröffentlicht regelmäßig das Robert-Koch-Institut.
- Alles zur Zika-Epidemie weltweit lesen Sie auf diesen Seiten von ZEIT ONLINE.
Was ist Zika genau?
Seinen Namen bekam das Virus von einem Wald in Uganda. Dort hatten es Wissenschaftler zufällig in Versuchsaffen entdeckt, an denen man gerade das ebenfalls von Tropenmücken verbreitete Dengue-Virus erforschte. Das war im Jahr 1947.
Es gibt zwei Linien des Erregers: eine afrikanische und eine asiatische (Haddow et al., 2012 & Faye et al., 2014). Letztere löste bisherige Ausbrüche in Afrika, Amerika, Asien und der Pazifikregion aus (Enfissi et al., 2016). Sie alle waren überschaubar. Das änderte sich 2007. Damals erkrankten mehr als 100 Menschen auf der Pazifikinsel Yap in Mikronesien. 2013 dann der nächste größere Ausbruch in Französisch-Polynesien. Zwei Jahre später trat das Virus in Brasilien auf und hat seither Millionen von Menschen infizierten.
Wie breitet es sich aus?
Das Prinzip kennen wir von Malaria oder Dengue: Tropenmücken der Gattung Aedes übertragen den Erreger – vor allem die Gelbfiebermücke Aedes aegypti. Während die Moskito-Weibchen einen Menschen stechen und Blut saugen, nehmen sie das Zika-Virus auf und tragen es weiter. Mit einem nächsten Stich können sie jemand anderen anstecken.
Woran merkt man, dass man Zika hat?
Die meisten merken es gar nicht. Nur jeder vierte bis fünfte Infizierte verspürt überhaupt Symptome. Diese treten in einem Zeitraum von drei bis zwölf Tagen (meist drei bis sieben Tage) nach einem infektiösen Mückenstich auf und halten bis zu einer Woche an.
Übelkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, erhöhte Temperatur – all das ist zu unspezifisch, als dass man selbst beurteilen könnte, ob man sich mit Zika angesteckt hat. Dafür ist ein Labortest nötig. Der erste Ansprechpartner bei Verdacht auf Zika wäre der Hausarzt.
Hat Zika Deutschland denn schon erreicht?
Ja, vereinzelt. Aber nur durch Reisende, die sich im Ausland infiziert haben. Sehr wenige davon steckten danach im Heimatland andere an. So schaffte es der Infekt in Länder, in denen Mücken das Virus bisher nicht in sich tragen. Weiter ausbreiten konnte sich die Infektionskrankheit in diesen Ländern aber nicht.
Am häufigsten kommt Zika in den USA als Reisekrankheit vor. Aus Europa werden lediglich Einzelfälle gemeldet. Konkret hat das Robert-Koch-Institut zwischen 2013 und 2015 zehn Fälle in Deutschland gezählt. Hierzulande ist Zika nicht meldepflichtig. Wie schon erwähnt, verläuft eine Infektion ohnehin meist unbemerkt. Daher gibt es überall – auch in den stark betroffenen Ländern mit infizierten Moskitos – eine hohe Dunkelziffer.
Wie leicht ist die Ansteckung durch Sex?
Vielfach war zu lesen: Auch durch ungeschützten Sex kann man Zika bekommen. In der Tat ist so eine Ansteckung von Mensch zu Mensch möglich (Musso et al., 2015). Sie spielt für die Ausbreitung der Seuche aber nur eine untergeordnete Rolle. Zu einer weltweiten Pandemie kann es nur kommen, wenn auch die Mücken weltweit sich mit Zika infizieren. Die Insekten selbst werden durch den Erreger übrigens nicht krank.
Wo gibt es bestätigte Zika-Fälle?
Seit dem aktuellen Ausbruch wurden aus mehr als 60 Ländern bestätigte Fälle gemeldet, wie die Europäische Seuchenbehörde zusammenfasst. Betroffen sind Staaten in und um Lateinamerika und der Karibik. Die meisten Fälle meldet Brasilien. Derzeit geht die Zahl der Neuinfektionen aber zurück. Da jeder, der den Infekt hinter sich hat, immun wird, sinkt auch die Zahl derer, die sich noch anstecken könnten.
Warum hatte niemand Zika auf dem Schirm?
Seit 60 Jahren kennt man Zika. Wie konnte es sich jetzt auf einmal so schnell ausbreiten? Warum gibt es bis heute keine Medikamente dagegen, geschweige denn eine Impfung? Die Antwort ist einfach: Weil das Virus bisher als harmlos galt. Infiziert sich ein Mensch, fühlt er sich ähnlich wie bei einer Erkältung.
Zika-Virus
1947 von Dengue-Forschern in Versuchsaffen entdeckt – in einem Wald namens Zika in Uganda – wurde das Virus fünf Jahre später im Menschen nachgewiesen. Die Mücken der Gattung Aedes übertragen es. Das geschieht zurzeit am häufigsten durch die Gelbfiebermücke Aedes aegypti. Diese ist in den Tropen und in den Subtropen verbreitet.
Es gibt zwei Linien des Virus: eine afrikanische und eine asiatische (Haddow et al., 2012 & Faye et al., 2014). Letztere löste bisherige Ausbrüche in Afrika, Amerika, Asien und der Pazifikregion aus (Enfissi et al., 2016). Sie alle waren überschaubar.
Aufmerksam auf den Erreger aus der Familie der Flaviviren wurden Virologen im Jahr 2007. Damals erkrankten mehr als 100 Menschen auf der Pazifikinsel Yap in Mikronesien. 2013 dann der nächste größere Ausbruch: In Französisch-Polynesien bekam rund ein Zehntel der Bevölkerung Zika. Zwei Jahre später trat das Virus in Brasilien auf und infizierte Millionen.
Entsprechend wenig wurde Zika beachtet. Ähnliche Tropeninfektionen wie Dengue richten seit vielen Jahren deutlich mehr Schaden an und sind deshalb auch besser erforscht.
Harmlose Krankheit. Wo ist das Problem?
Plötzlich infiziert Zika also Millionen. Wieso ist das nun besorgniserregend, wenn die Symptome so mild sind? Nach und nach werden bisher unbekannte Folgeschäden sichtbar. Zuletzt wurden zwei Zusammenhänge deutlich:
Erstens: Wo Zika umgeht, werden mehr Babys mit einer bestimmten Schädelfehlbildung geboren (Mikrozephalie). Besonders auffällig war das zuletzt im Norden Brasiliens, wo viele Babys mit zu kleinen Köpfen geboren wurden. Zwar waren es keine 4.000, wie zuerst vielfach berichtet. Dennoch: Es waren zu viele, um nicht zu reagieren. Denn diese Kinder bleiben in ihrer Gehirnentwicklung zurück und sind schwer geistig behindert. Der direkte Zusammenhang, wie Zika die Ungeborenen schädigen könnte, ist noch nicht geklärt. Derzeit untersuchen Forscher, ob auch in anderen Regionen mit Zika – etwa in Kolumbien – eine ähnliche Häufung der Fälle zu beobachten ist. Viele Forscher sind überzeugt: Es müssen noch andere Faktoren als das Zika-Virus allein eine Rolle spielen.
Zweitens: Es treten – in allen Altersgruppen – häufiger schwere Fälle einer Autoimmunerkrankung auf: das Guillain-Barré-Syndrom (GBS). Vereinzelt meldeten von Zika betroffene Staaten schon Todesfälle. Das Nervenleiden kann im schlimmsten Fall die Atmung lähmen. Es ist bekannt, dass GBS eine Folge von Virusinfekten sein kann.
Warum ein Gesundheitsnotstand?
Das Risiko für Ungeborene, die rasante Verbreitung und weder ein Impfstoff noch eine Therapie – das reichte der Weltgesundheitsorganisation (WHO), um den Zika-Ausbruch in Lateinamerika zum globalen Gesundheitsnotfall zu erklären. Die Massenerkältung steht damit seit Februar formell auf einer Stufe mit Ebola. Wegen der Assoziationen, die das weckt, sagte WHO-Infektiologe Marcos Espinal auch gleich dazu: "Das ist nicht Ebola". Zika sei deutlich harmloser. Mit vereinten Kräften bekämpfen müsse man es trotzdem. Und das erfordere den offiziellen Notstand.
Wird es zu einer Pandemie kommen?
Ob sich Zika derart ausbreiten wird, dass es weltweit auch in Europa durch infizierte Mücken Millionen ansteckt, hängt davon ab, welche Mückenarten die Krankheit tatsächlich übertragen und so sie leben. Wie wahrscheinlich eine Pandemie ist, darüber streiten Forscher.
Neben der Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) steht auch die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) unter Verdacht, das Virus womöglich weitergeben zu können. Forscher fanden vereinzelt Zika in solchen Moskitos. Der Bonner Virologe Christian Drosten bezweifelt allerdings, dass diese Art bei der Verbreitung eine Rolle spielt: "Sie kommt massenhaft in Südchina vor, wohin sich die Zika-Epidemie aber nicht ausgebreitet hat", sagte er ZEIT ONLINE. Außerdem sind die Studien dazu ziemlich schwach. "Ein Virus in einer Mücke zu finden, heißt noch nicht, dass sie es auch weitergibt", sagte er.
Die Asiatische Tigermücke wurde zwar schon vor Jahren nach Deutschland eingeschleppt – in Wasserlachen gebrauchter Autoreifen. Und sie brütet inzwischen sogar im Raum Freiburg, wie Forscher um Doreen Walther (geb. Werner) nachweisen konnten (Parasitology Research: Werner/Kampen, 2015). Doch dass das reichen könnte, um hier eine Zika-Epidemie loszutreten, glaubt Virologe Drosten nicht. Und dazu müsse sie Zika überhaupt erstmal übertragen können.
Auch einheimische Mücken könnten Zika verbreiten
Doreen Walther hält es dagegen für nicht ausgeschlossen, dass sogar unsere einheimischen im Sommer massenhaft vorkommenden Schnaken der Art Aedes vexans den Erreger verbreiten könnten. Dass sie das wirklich tun, wurde aber nie nachgewiesen. Und ehe Mücken – welcher Art auch immer – eine Zika-Epidemie in Deutschland auslösen würden, müssten extrem viel mehr Menschen das Virus aus dem Ausland einschleppen und andere anstecken. Als nächstes müssten Zika-Infizierte hierzulande von Mückenweibchen gestochen werden, die den Erreger damit aufnehmen und mit ihrem Stich weitergeben. Ein Szenario, das hochspekulativ ist und höchstens im Sommer während einer Mückenplage vorstellbar wäre – darin sind sich alle Experten einig.
Allein schon die klimatischen Bedingungen würden das nicht begünstigten, sagte Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Und: "Die Mückensaison in Deutschland ist kurz, die Dichte an Insekten dann viel geringer als in Lateinamerika."
Wie kann man sich schützen?
Da es keine spezifischen Therapien gibt und eine Impfung erst noch entwickelt wird, ist der beste Schutz, Mückenstiche zu vermeiden. Dabei ist zu beachten, dass Aedes-Mücken, die den Erreger in sich tragen, auch tagsüber stechen.
In den Zika-Gebieten sollten Reisende unbedingt stichfeste Kleidung tragen und wann immer möglich Moskitonetze nutzen. Das schützt gleichzeitig gegen Tropenkrankheiten wie Dengue, Chikungunya oder Malaria.
Zudem empfehlen Behörden Insektenschutzmittel mit Wirkstoffen wie DEET, Picaridin oder IR3535. Solche Repellents schrecken Mücken ab, ohne sie zu töten. Zitroneneukalyptusöl, beziehungsweise Produkte auf dessen Basis wie PMD/Citriodiol, sind die pflanzliche Alternative. Deren Wirksamkeit ist umstritten.
Reisende, die glauben, sich mit Zika angesteckt zu haben, können sich unter anderem am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg untersuchen lassen.
Was raten Mediziner Schwangeren?
Wegen des Risikos einer Schädigung des Ungeborenen, sollten Schwangere derzeit nicht in von Zika betroffene Gebiete reisen. Den Frauen, die dort leben, empfehlen Mediziner so viel Schutz vor Mücken wie möglich.
Wer Wochen nach einer ausgeheilten Zika-Virus-Infektion schwanger wird, gefährdet sein Kind hingegen nicht mehr. Nach heutigen Kenntnissen verschwindet der Erreger wieder vollständig aus dem Körper. Hinzu kommt, dass immun ist, wer die Krankheit hinter sich hat.
Ist bewiesen, dass Zika Mikrozephalie auslöst?
Nein, aber Wissenschaftler zweifeln daran nicht mehr. Jetzt suchen sie nach dem genauen Weg, wie das Virus Föten schädigt.
Gerade erst haben US-Forscher eine Studie veröffentlicht (Cell: Nowakowski et.al., 2016), die nahelegt, warum Zika womöglich ausgerechnet Babygehirne besonders schädigt. Demnach könnte ein bestimmtes Protein die Ursache dafür sein. Es sitzt auf der Oberfläche neuraler Stammzellen, die in der Großhirnrinde eines Ungeborenen vorkommen. Über dieses Eiweiß gelangen die Viren besonders gut ins Gewebe – ein Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Zika und Mikroenzephalie bei Neugeborenen.
Brasilianische Forscher um die Ärztin Lúcia Noronha hatten Zika in den Gehirnen von Neugeborenen mit Mikrozephalie nachgewiesen. Slowenische Forscher beschrieben im New England Journal of Medicine (Mlakar et al., Februar 2016) den Fall einer Schwangeren, die sich in Brasilien mit Zika infiziert hatte. Nach ihrer Rückkehr entdeckten Ärzte bei Untersuchungen des Ungeborenen, dass dieses die Schädelfehlbildung hatte. Die Frau entschied sich zu einer Abtreibung – bei dem Fötus wiesen Forscher danach das Zika-Virus nach.
In Brasilien gibt es bislang etwas mehr als 40 bestätigte Fälle, in denen mit Zika infizierte Mütter ein Baby mit Mikrozephalie (Schädelumfang 32 Zentimeter oder kleiner) bekamen. Eine der ungeklärten Fragen ist, warum es offensichtlich eine Häufung in Brasilien gibt, aber bisher keinen bestätigten Fall zum Beispiel in Kolumbien, wo Tausende Schwangere an Zika erkrankt sind.
Was macht die Welt gegen Zika?
Derzeit konzentrieren sich Behörden in den stark betroffenen Ländern auf den Kampf gegen die Mücken. Wie schwierig der ist, zeigt sich in Brasilien. Während man sich dort wegen der Olympischen Spiele im Sommer 2016 auf Großstädte wie Rio konzentriert, funktioniert der Moskito-Schutz in den viel stärker betroffenen ärmeren Regionen nur schleppend. Während internationale Verbände Sportlern zum Teil schon zur Absage raten, sind die am stärksten gefährdeten Menschen schwangere Frauen aus Armenvierteln. Sie haben kein Geld für Mückenschutz und wohnen in Hütten mitten zwischen Wasserlachen – den Brutstätten der Mücken.
Zwar werden seit Wochen eifrig Pfützen ausgetrocknet, um solche Brutstätten zu vernichten, mit Insektengift werden Häuser und Hütten ausgesprüht, Moskitonetze werden verteilt, genau wie Flugblätter mit Informationen über das Virus. Wirklich ausrotten lassen sich die Krankheitsüberträger so aber nicht. Besonders eindrücklich wird das, wenn man sich vor Augen führt, wie Brasilien gerade am Kampf gegen das viel gefährlichere Dengue-Virus scheitert. Denn nie zuvor hatten mehr Brasilianer Dengue als im vergangenen Jahr.
Was macht die WHO jetzt?
Streng genommen kann die WHO keine direkten Maßnahmen ergreifen. Die Organisation kann nur beraten und Empfehlungen aussprechen. Dieses Problem zeigt sich derzeit auch in Brasilien, wo Gesetze die Herausgabe von Virus-Proben an internationale Arbeitsgruppen erschwert haben.
Keine Regierung ist verpflichtet, dem Rat der WHO zu folgen. Sie ermöglicht aber einen koordinierten, weltweiten Austausch zwischen Gesundheitsbehörden, Regierungsvertretern und Wissenschaftlern.
Im Wesentlichen geht es jetzt darum, die Bevölkerung, lokale Kliniken, Ärzte und Gesundheitseinrichtungen mit Wissen über das Virus zu versorgen. Auch ist es wichtig, alle Mikrozephalie-Fälle aufzuspüren, zu zählen und zu bestätigen. So lässt sich die Gefährlichkeit des Erregers abschätzen.
Was wissen Forscher Neues über Zika?
Inzwischen konnten Wissenschaftler analysieren, wie der Erreger aufgebaut ist. Biologen aus den USA haben die Struktur ausgereifter Zika-Viren aufgeschlüsselt (Science: Sihori et.al., 2016). Die Erkenntnisse daraus sind etwas enttäuschend: Zwar kann man erkennen, dass Zika anderen Viren aus der Flavi-Gruppe, zu der Dengue oder das West-Nil-Virus zählen, ähnelt. Details aus der Studie könnten helfen, einen Impfstoff oder Medikamente zu entwickelt. Doch zur direkten Bekämpfung der Epidemie reicht das bisher nicht.
Ein umfassendes FAQ zu Zika hat auch das Robert-Koch-Institut zusammengestellt und im März aktualisiert.
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