29 grudnia 2014

SPIEGEL-Brief

Sehr geehrter Herr Pascal Alter !

Ich war wütend auf meinen Kollegen Jonathan Stock. Unsere Büros liegen auf einem Flur, und wir sind Freunde. Ich wollte einfach nicht, dass er fliegt, zu diesem Berg im Nordirak, der umzingelt ist von Terroristen des IS. Wo man nur rauskommt, wenn die Jungs der irakischen Armee so nett sind, einen Helikopter vorbeizuschicken, wenn der Nebel gut liegt, wenn es nicht gerade regnet oder der Pilot mal wieder Lust hat abzuheben. Stock ist trotzdem geflogen, er wollte Adnan begleiten, wollte wissen, warum ein junger Mann aus Bad Oeynhausen sich auf den Weg in diesen Krieg macht. Stock nimmt in seiner Reportage den Leser mit auf diese Reise eines jungen Deutschen, der sein gefliestes Bad gegen ein Erdloch austauscht, der in Deutschland Fahrrad ohne Licht fuhr und jetzt Munition an kurdische Kämpfer verteilt.

Mit ihrer Geschichte "Obamas Todesliste" beschreiben meine Kollegen Holger Stark und Marcel Rosenbach, auf welche moralischen Abwege die USA und die Nato im "Krieg gegen den Terror" geraten sind. Es ist eine exzellente Recherche, die mit dicht aneinandergereihten Belegen erschreckende Einblicke bietet in die Herangehensweise der verantwortlichen Politiker und Militärs. So wird beispielsweise ein Isaf-Offizier, der jahrelang mit den Todeslisten gearbeitet hat, mit folgenden Worten zitiert: "Als Faustregel galt, dass der Isaf-Kommandeur in Kabul bis zu einem geschätzten Kollateralschaden von bis zu zehn Zivilisten entscheidet, ob das Ziel das Risiko rechtfertigt."

Eigentlich mag ich Heinrich August Winkler nicht. Es hat persönliche Gründe; mein Vater mochte ihn auch nie: Winkler war immer eine der prominentesten Stimmen, wenn es darum ging, den Beitritt der Türkei in die EU zu verhindern. Das Gespräch im aktuellen Heft habe ich trotzdem gelesen, auch aus alter Tradition. Historiker, Zeitgeschichte, Hitler, immer wenn diese Themen auf dem SPIEGEL-Titel waren - plus DVD -, kauften wir das Heft, ich und meine Klassenkameraden, es waren die besten Spickzettel für Geschichtsklausuren. In dem SPIEGEL-Gespräch erzählt der Historiker Winkler meinen Kollegen Christiane Hoffmann und Klaus Wiegrefe von der Ahnungslosigkeit Helmut Kohls und Gerhard Schröders, vom Verrat der westlichen Werte durch die USA, vom Unterschied zwischen Irak-Krieg und Krim-Krise. Es ist ein gutes Gespräch. Winkler ist Mr. Anti - altbewährt. Außerdem soll er vor einigen Jahren seine Meinung entschärft haben, was den EU-Beitritt der Türkei angeht.

Ihre Özlem Gezer
SPIEGEL-Redakteurin

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